Neue Handys strahlen stärker!
SAR-Kennzeichnungspflicht in Sicht

(Stand: Sommer 2001)

Ohne Kennzeichnungspflicht wird es keinen Trend zu strahlungsärmeren Handys geben: Die SAR-Werte am Markt erhältlicher Handys haben in den letzten Jahren zu- statt abgenommen! Gütesiegel und Kennzeichnungspflicht werden vielfach diskutiert, Umsetzungen werden noch für dieses Jahr erwartet. Das nova-Institut hat eine aktuelle Übersicht über die SAR-Werte von Handys am deutschsprachigen und US-Markt zusammengestellt, die im Internet zu finden ist unter "www.HandyWerte.de".

Das Kriterium "strahlungsarm" spielt bei der Entwicklung von Handys eine immer geringere Rolle. Gab es vor einigen Jahren zumindest drei Handys mit SAR-Werten unter 0,25 W/kg - das Motorola StarTac 130, das Nokia 8810 und bereits 1996 das Hagenuk Global Handy - so liegen die "besten" Handys, die derzeit am deutschsprachigen Markt zu haben sind, über 0,50 W/kg. Enttäuschend sind vor allem Neuheiten der Saison wie die Handys Benefon Q, Nokia 6210, Samsung SGH A110 oder Ascom GDX350, die allesamt SAR-Werte über 1,00 W/kg aufweisen. Die Designvorgaben scheinen erheblich mehr Bedeutung zu haben als die vorsorgliche Vermeidung eventueller Gesundheitsfolgen für die Benutzer.

Um diese unbefriedigende Situation zu verändern und das technische Potenzial auszuschöpfen, die Strahlenbelastung der Handynutzer zu minimieren, müssen SAR-Werte zu einem Kaufkriterium werden. Eine deutliche Kennzeichnung der Geräte, z.B. durch Angabe des SAR-Wertes auf der Verpackung oder durch Prüfsiegel für strahlungsarme Handys, kann die Aufmerksamkeit der Käufer für die Problematik wecken.

Doch die Hersteller wehren sich und verzögern die Deklaration der Handy-Strahlungswerte so gut sie können. "Ursprünglich hätte diese wichtige Konsumenteninformation weltweit per 1. Januar 2001 Wirklichkeit werden sollen", berichtet das schweizerische Verbrauchermagazin K-Tipp in seiner Märzausgabe. Offiziell wird im zuständigen Normungskomitee "ieee scc 34" immer noch über die genaue Testmethode debattiert, doch wäre es ein Leichtes, in der Übergangszeit vorhandene Mess-Standards aus den USA oder der EU zu verwenden. Außerdem möchten die Hersteller den SAR-Wert am liebsten auf einem beigelegten Zettel oder in der Bedienungsanleitung "verstecken", nicht aber auf die Verpackung drucken.

Aktuelle Entwicklungen

In Großbritannien müssen die Handys seit Ende letzten Jahres gekennzeichnet sein, in den USA kann der Verbraucher im Internet die SAR-Werte sämtlicher Handys finden (siehe Tabelle). In der Schweiz soll ab Frühsommer 2001 eine deutlich sichtbare Deklaration am Verkaufsort Pflicht werden, eventuell in Form einer Skala. Vorgeschlagen wird eine Einteilung in vier Gruppen:

  1. weniger als 12,5% des ICNIRP-Grenzwertes (x < 0,25 W/kg)
  2. 12,5 bis 25% des ICNIRP-Grenzwertes (0,25 <= x <= 0,50 W/kg)
  3. 25,1 bis 50% des ICNIRP-Grenzwertes (0,50 < x <= 1,00 W/kg)
  4. 50,1 bis 100% des ICNIRP-Grenzwertes (1,00 < x <= 2,00 W/kg)

Das Verbrauchermagazin K-Tipp verwendet diese Einteilung bereits heute bei seinen Handy-Tests und bezeichnet die Gruppen mit "sehr gering", "gering", "mittel" und "stark".
In Deutschland wird das Umweltministerium (BMU) voraussichtlich Ende April den Entwurf zur Novellierung der "Elektrosmog-Verordnung" (26. BImSchV) der Öffentlichkeit präsentieren. Laut BMU steht auch eine Kennzeichungspflicht für Handys (SAR-Wert) zur Diskussion.

Nach Ansicht der beiden Organisationen müssen die bestehenden Elektrosmog-Grenzwerte durch so genannte Vorsorgewerte ergänzt werden. Konkret bedeutet dies, die Hinweise auf mögliche Langzeitschäden ernst zu nehmen und die in der Elektrosmog-Verordnung verankerten Grenzwerte um folgende Vorsorgewerte zu verschärfen:

SAR-Wert
Die "Spezifische Absorptionsrate" (SAR-Wert) gibt die Strahlungsleistung an, die vom Körpergewebe (insbesondere dem Kopf) während des Mobiltelefonierens aufgenommen wird und zur Erwärmung des Gewebes führt (Einheit: W/kg).
Der SAR-Wert beruht auf einem thermischen Messverfahren und berücksichtigt daher naturgemäß keine athermischen Effekte. Allerdings ist zu vermuten, dass bei höheren SAR-Werten auch die athermischen Effekte zunehmen. Diese Schlussfolgerung gilt nur bei unveränderter Frequenz und Pulsung des Signals. Dies gilt z.B. für Vergleiche aller Handys innerhalb der D-Netz-Gruppe, ebenso innerhalb der E-Netz-Gruppe aber nicht unbedingt zwischen den Gruppen.
Da bislang aber kein besserer Parameter existiert, auf dessen Basis man mögliche Gefahren durch Handys abschätzen könnte, wird stets der SAR-Wert angegeben. Die Messung des SAR-Werts ist nicht einfach und verlangt eine Reihe von Mess-Standards.
In Europa wird der SAR-Wert üblicherweise über 10 g Gewebe gemittelt, in den USA dagegen über 1 g Gewebe, was in der Praxis zu bis zu doppelt so hohen US-SAR-Werten führen kann. Nach Ansicht des nova-Instituts ist das US-amerikanische Messverfahren besser geeignet, da z.B. in Ohr und Auge die Erwärmung sehr kleiner Organteile schädlich sein kann.

TCO

Das Unternehmen TCO-Development (www.tcodevelopment.com), eine Tochtergesellschaft der schwedischen Gewerkschaft für Büroangestellte und Beamte, plant ein Gütesiegel für Mobiltelefone. Unterschreitet ein Handy einen bestimmten Strahlungswert, darf es sich mit dem neuen TCO-Siegel schmücken. Die schwedischen MPR- und TCO-Siegel haben bei Computerbildschirmen eine rasche Senkung der Strahlenbelastung bewirkt und sind heute auf mehr als 50% aller Bildschirme zu finden.

Einer Pressemitteilung nach verhandelt TCO-Development bereits mit verschiedenen Handy-Produzenten. Der in die Ausarbeitung der Kriterien involvierte Professor Kjell Hansson Mild hofft, das Gütesiegel werde - wie bei den Computermonitoren - einen deutlichen Einfluss auf die Hersteller haben. Ab Herbst sollen die ersten Handys mit TCO-Siegel in den Handel kommen.

Transparenz für den Verbraucher und SAR-Werte unter 0,2 W/kg angestrebt

Das nova-Institut und die Verbraucher Initiative Berlin (vgl. Presseerklärung) wollen ab sofort den Verbrauchern die Strahlenbelastung handelsüblicher Handy-Modelle transparent machen. Im Internet (www.HandyWerte.de) und als Fax-Abruf (0190"2"50 270 164; 1,21 DM/Minute) stehen die SAR-Werte abrufbereit zu Verfügung. Um diese Dienstleistung weiter entwickeln, pflegen und finanzieren zu können, suchen die Organisationen nach Unterstützung. Neben der Verbraucheraufklärung ist dabei das Ziel, die Entwicklung von neuen Handymodellen mit SAR-Werten unter 0,2 W/kg (Vorsorgewert des nova-Instituts) zu forcieren. Niels Kuster vom Züricher SAR-Referenzlabor "It'is" sagte in einer Fernsehsendung: "Wir sind vom Optimum noch sehr weit entfernt. Werte unterhalb 0,2 Watt pro Kilogramm erachte ich als durchaus realisierbar."


Quellen:
  1. Neue Handys: Immer raffinierter, immer strahlender. In: K-Tipp Nr. 6, 28. März 2001 (www.ktipp.ch).
  2. Umweltsiegel für Handys. In: c't newsticker vom 23. März 2001 (www.heise.de/newsticker).
  3. Zu viel unnötige Handy-Strahlung. In: K-Tipp Nr. 20, 29. November 2000 (www.ktipp.ch).